Crash mit Folgen

Heute ist es knapp eine Woche her, dass ich meinen bisher schwersten Sportunfall erlitten habe. In den ersten Tagen nach der OP war es mir nicht möglich das Ganze zu realisieren und schon gar nicht aufzuarbeiten.
Jetzt erst wird mir Stück für Stück klar was vorgefallen ist und welche Auswirkungen und Folgen das alles für mich hat.

Aber der Reihe nach.

Am vergangenen Sonntag standen die Deutschen Meisterschaften im Mountainbike Sprint auf dem Programm. Darauf und auch auf die eine Woche später stattfindenden Deutschen Meisterschaften im Biathlon wollte ich mich mit entsprechenden Trainingseinheiten vorbereiten.

Um bei den Sprintmeisterschaften die notwendige Schnellkraft zu haben, gingen wir am vergangenen Donnerstag u.a. nochmal auf Skiroller ins Hohenzollernstadion am Arber. Mit entsprechenden Intervallläufen wollten wir an der Grundschnelligkeit und an blitzschnellen Antritten arbeiten.

Doch dann kam alles anders als erwartet.

Schon seit vielen Jahren kombiniere ich mein Radtraining mit vielfältigen Sportarten, um auch andere Muskelgruppen zu stärken und auszubauen. Ich mag es allerdings nicht so gerne zum Beispiel ein Rollertraining auf nicht abgesperrten Straßen mit Verkehr durchzuführen.

Gerade deshalb nehme ich die zwei Stunden Fahrt auf mich, um optimale Bedingungen zu haben. So auch an diesem Tag.

Es war ein schwül heißer Tag dieser Donnerstag. Nach einer ersten circa einstündigen Trainingseinheit im Stadionbereich und einer anschließenden kurzen Mittagspause ging´s mit Skirollern ab auf die Strecke.

Mein Trainer hinter mir auf dem Bike. Das machen wir häufig so, um Fehler zu erkennen und auch gleich zu verbessern. Die ersten beiden Kilometer auf der Strecke lief ich locker und nutze die Meter um mich warm zu laufen.

An der höchsten Stelle des Kurses angekommen gibt es einen Linksknick in eine längere Abfahrt. Ich ging in die Hocke und bereitete mich gedanklich auf die leichte Kompression nach der Brückenüberfahrt vor.

„Na wenn ich doch nur so weit gekommen wäre.“

Plötzlich bemerkte ich vor mir ein Hindernis, ich weiß das Wort ist falsch weil es auch kein richtiges Hindernis war, aber ich habe es in dieser Sekunde so gespürt.
Mit einem Tempo von 40-50 km/h bin ich den Berg abgefahren und plötzlich war die Strecke bzw. der Asphalt aufgefräst.

Kennt ihr das wenn euch das Blut in den Adern vor Schreck erstarrt ??? Fragen über Fragen schwirren durch den Kopf.

Was mache ich ? Ich weiß es kommt zum Crash ich kann es nicht mehr verhindern !

Obwohl alles in Bruchteilen von Sekunden ablief war es doch wie in Zeitlupe. Ich versuchte mich daran zu erinnern, wie ich „Stürzen“ im Training geübt habe, welche Abläufe zu machen sind und wo ich körperlich am stabilsten bin.

Und dann vernahm ich nur noch krachende und laute Schläge. Ich habe mich mehrmals überschlagen, bin dann nach 25 Metern zum Stillstand gekommen.

Im ersten Schock versuchte ich mich sofort aufzurichten aber es ging nicht mehr. Was ich noch sehen konnte waren blutende Abschürfungen an den Beinen, aber das bin ich ja gewohnt, also fast Alltag.

Viel viel schlimmer war für mich das komische Empfinden, das sich in mir aufbaute. Ich verlor ganz langsam das komplette Gefühl auf meiner linken Körperseite und spürte meine Schulter, meinen Arm und meine Hand nicht mehr, selbst mein Oberkörper schien sich zu verabschieden.

Die Erstversorgung machte mein Trainer, der mich ganz genau kennt. Bei mir ist es bei schwereren Verletzungen so, dass ich recht schnell bewusstlos werde. Er hat versucht mich wach zu halten. Meine Schmerzen wurden immer unerträglicher.

Es kam in mir Panik auf, was ist nur los mit mir, ich spüre nichts mehr, was ist gebrochen, werde ich vielleicht gelähmt sein, weil ich nichts mehr spüre und dann noch dieses Gefühl ich kann das Bewusstsein nicht mehr halten.

Mir war so schlecht und mein Körper wurde immer zittriger.

Ich hatte ganz einfach Angst es nicht zu schaffen.

Dabei hatte ich doch so viel vor, jetzt wo ich so gut drauf bin, Klassiker gewinnen konnte und ich endlich soweit war mit der Weltspitze auch im Marathon mitzufahren. Das alles sollte jetzt mit einem Schlag vorbei sein ?

Und was ist mit meinen Biathlonambitionen. Ich hab doch so viel Freude dran und habe in den letzten drei Monaten große Leistungssprünge machen können.
Wie ich es gelernt habe, aufgeben gilt nicht. Daran habe ich mich erinnert und alle vorhandene Kraft darauf verwendet wach zu bleiben.

Mit der rechten Körperhälfte lag ich immer noch auf dem sehr heißen Asphalt, jeder hatte Angst mich zu bewegen weil keiner wusste was mit meiner Wirbelsäule passiert ist. Außerdem habe ich schon bei dem Ansatz mich zu bewegen so geschrien, dass es keinen Sinn gemacht hätte.

In den 30 Minuten bis zum Eintreffen der Rettung durchlebte ich meine schwersten Stunden in meiner Karriere und auch in meinem Leben. Ich bin wahrlich kein Weichei, wenn man aber selbst nichts mehr beeinflussen kann ist das mehr als unangenehm.

Angst, ganz einfach pure Angst habe ich verspürt. Es rasen Fragen durch den Kopf. Die hören sich vielleicht naiv an, aber man hängt plötzlich so an allem.

Kann ich überhaupt nochmal in meine geliebte kleine Wohnung, wenn ich jetzt länger weg sein werde, habe ich die Fenster alle geschlossen – ich sollte noch Bilder für meine Unterstützer und Sponsoren machen, wie soll das jetzt gehen ?

So viele Dinge gingen mir durch den Kopf.

Ich hab so viel Freude an Allem was ich mache, ich werde das packen egal was jetzt gerade mit mir passiert ist, so habe ich mich immer und immer wieder motiviert.

Dann endlich der Notarzt. Ich spürte wie langsam meine Schmerzen durch die Gabe von Schmerzmittel etwas erträglicher wurden. Trotzdem, was ist mit meinem Arm, meiner Hand und meinem Hals auf der linken Seite, noch immer kein Gefühl und es fühlt sich Minute um Minute gruseliger an.

Mir wurde dann im RTW ein Daumen vor Ort eingerenkt, der scheint sich verabschiedet zu haben. Nach einem kurzen Zwischenstopp im Krankenhaus in Zwiesel ging es nach Passau ins Klinikum. Erst bei diesem Gespräch mit Dr. Schiller habe ich ganz langsam wiederMut geschöpft.

Mir wurde erklärt, dass meine Hand, die Finger, mein Handgelenk, Elle und Speiche gebrochen sind. In dem Daumen seien Bänder und Sehnen gerissen und auf der Unterseite des Handgelenkes habe ich eine tiefe Wunde, die darüber entscheidet ob ich jetzt operiert werden könnte oder nicht. Die Schwellungen an den Weichteilen waren schon sehr weit fortgeschritten.

Das ganze andere Zeugs am Körper war zu dem Zeitpunkt nicht wichtig. Ich hatte Kopfschmerzen weil es mich durch die Überschläge voll auf die Rübe gehauen hat, aber im CT wurde an den Wirbeln nichts festgestellt.

Dann die Entscheidung – OP ! Jetzt war erstmal Schicht im Schacht für mich. Die nächsten 4 Stunden war ich in den Händen der Ärzte, die das super gemacht haben.

Ich bin wieder zusammengeflickt. Wie und ob ich wieder alles so benutzen kann wie vor dem Unfall, das werden wir in den nächsten Tagen und Wochen sehen.

Was mir aber wirklich am Herzen liegt ist etwas ganz anderes.

So lange alles gut läuft sind viele Menschen um einen rum immer ist alles positiv. Der Sportler entwickelt sich und hat Erfolge und alles ist gut. Dann passiert etwas womit keiner gerechnet hat und Vieles um nicht zu sagen Alles ändert sich ganz plötzlich.

Fragen tauchen auf, warum ist das passiert ? Ist der Sportler selbst schuld oder wer ist schuld daran ? Wie konnte das geschehen ? Warum konnte man das nicht verhindern ?

Ich will wirklich keinem etwas Böses. Aber mir selbst bringt man ständig bei, egal ob als Sportler oder normaler Mensch, wenn du etwas verbockt hast, bekenne dich dazu und finde keinen fadenscheinigen Ausreden und sei es noch so hart.

Dieses Training auf der Strecke habe ich offiziell angemeldet und auch genehmigt bekommen, alle wussten dass ich/wir auf der Strecke sind und vor uns war auch noch eine Trainingsgruppe unterwegs, die dem Anschein nach von der Baustelle Bescheid wusste. Trotzdem war und wurde nichts abgesperrt, obwohl im schnellsten Streckenteil ein lebensgefährliches Hindernis in Form einer Asphaltbaustelle war.

Ich bin heilfroh, dass ich ein paar wenige Leute um mich habe, die mir Halt geben. Unabhängig davon, kann ich es menschlich mir einfach nicht erklären, dass sich bis heute niemand aus dem Stadionbereich oder von Betreiberseite gemeldet hat, um nur mal nachzufragen wie es geht oder was mir fehlt.

Neben den körperlichen Schmerzen spüre ich auch diese seelischen Schmerzen.

Wir sind vom Mountainbikesport, wo erst im letzten Jahr bei uns Damen ein tödlicher Unfall den Sport überschattet hat, so sehr auf Streckensperrungen sensibilisiert, dass wir niemals auf eine gesperrte Strecke ohne Freigabe gehen würden, egal ob mit den Rollern, dem Rad oder einem anderen Sportgerät.

Es passieren überall Fehler, dieses Mal war ich die Leidtragende – eben Pech gehabt kann man sagen.

Aber dann sollen bitte auch die, die für so etwas verantwortlich sind, sich nicht mit fadenscheinigen Ausreden aus genau dieser Verantwortung davonstehlen, sondern zu den Fehlern stehen.

Das schwächste Glied in der Kette wird immer der Sportler sein, da er letztlich alleine für sich steht. Auf die Gesellschaft dahinter kommt es dann an, sich der Realität und vor allem der Wahrheit auch zu stellen.

Ich bleibe egal was kommt meiner Linie treu und glaube fest daran, dass am Ende die Gerechtigkeit doch ihren Platz bekommt.

Danke, an wen auch immer, dass es noch so für mich abgelaufen ist.

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